CELT document D100035

Welches sind die drei, die gleich nach ihrer Geburt zuerst gesprochen haben?

unknown

German translation

Edited by Rudolf Thurneysen

Whole text

 p.274

Welches sind die drei, die gleich nach ihrer Geburt zuerst gesprochen haben?

…Und was haben sie gesprochen? — Das ist nicht schwer (zu sagen): Ai der Sohn Olloms des Sohnes Delbaeths und Morand Sohn von Coirpre Katzenkopf und Noinniu Noibrethach. Das zunächst ist der Anlaß, bei dem Ai Olloms Sohn gesprochen hat: Fiachu 1 Delbaeths Sohn, der König von Irland, war auf einer königlichen Rundreise und sein Bruder Ollom Delbaeths Sohn in seiner Begleitung. Eines Tages schmausten sie, König Fiachu und sein Bruder Ollom, in  p.275 Inishthee im Westen Irlands. Jeder nahm eine Hälfte des Hauses ein. Auch war sein Druide in Gegenwart des Königs Fiachu. Als sie beim Verzehren ihres Schmauses waren, kam ein gewaltiger Windstoß über das Haus, so daß die Größe des Getöses sie alle verstummen machte. “Was verkündet der Windstoß?” sagte Fiachu zum Druiden. — “Er verkündet” sagte der Druide, “daß eine wunderbare (Dicht)kunst sich in Irland erheben wird”. — “Was für eine Kunst ist das” sagte der König, “und von wem wird sie erzeugt, und wo wird sie erzeugt werden?” — “Eine Kunst, die gleichen Rang haben wird wie dein Rang” sagte der Druide, “und in diesem Haus wird sie erzeugt werden und von der Frau dort deines Bruders wird sie erzeugt werden. Sie ist schwanger und wird jetzt einen Sohn gebären, und der wird von gleichem Rang sein wie du. Und es wird ein anderer, höherer Rang (Grad) kommen, dem eure Ränge dienen werden, nämlich der Rang der Kirche”. — Das alles wurde nun wahr. Der Knabe wurde sofort geboren, und der König wollte den Knaben töten. Das verhinderte dessen Vater Ollom; denn der König hatte nicht mehr Leute im Haus als er. Während man darüber sprach, hörten sie den Knaben sagen: “Hebt mich in die Höhe, daß ich zum König spreche”. Er wird darauf hochgehoben. “(Gib) mir etwas bei deiner Ehre, Fiachra” sagte er. — “Was soll ich dir geben?” sagte der König. — “Das ist nicht schwer (zu sagen): mein Land, meine Ehe, ein Speisekessel mit einem Faß als Dichtkunst-Gebühr(?)  2 werde von meinem König gebracht, Schweine(?), ein Schöpfgefäß, ein Becher, ein Wagen, ein Schwert, dreißig Rinder, eine Handmühle, eine Kriegerschar. Das alles schuldet 3 mir Fiachna” sagte der Knabe. — “Es wird gegeben werden” sagte Fiachu. “Welchen Namen soll der Knabe nun erhalten?” — “Man nenne ihn Ai” sagte der Druide. Darnach wurde da die Kunstdichtung (ai airchetail) genannt, nach Ai Olloms Sohn. Und das ist das Kunstgedicht (ai), das Ai Olloms Sohn zuerst sagte.

Morand anderseits, der Sohn von Coirpre Katzenkopf, der hat bei folgendem Anlaß gesprochen. Durch diesen Coirpre  p.276 waren alle freien Geschlechter, die in Irland waren, ermordet worden. Denn er gehörte zu den Zinsbauern-Stämmen Irlands. Und er bemächtigte sich des Königtums von Irland mit Gewalt. Und seine Königsherrschaft war übel, denn es fand sich nur ein Korn am Ende des Halms und eine Eichel im Gipfel der Eiche zu seiner Zeit. Diesem Coirpre wurden drei Söhne geboren, und sie pflegten sofort von ihm ertränkt zu werden; denn sie schienen Mißgeburten (Monstra), weil ihre “Helme” um ihre Köpfe waren. Der dritte Sohn, der geboren wurde, Morand — dem wollte er dasselbe antun, d. h. ihn ertränken. Zwei Jünglinge wurden von ihm beauftragt, 4 ihn in den Schlund der Woge zu werfen. Als sie ihn in die Woge des Meeres geworfen hatten, zerbrach die Woge den “Helm”, und die Woge hob den Knaben über sich, so daß sie sein Gesicht auf dem Gipfel der Woge sahen. Da sprach er: “Rauh ist  5 Woge” sagte der Knabe. Die Jünglinge springen zu ihm hin und heben ihn empor. “Hebt mich nicht empor” sagte er, “kalt ist Wind”. — “Was sollen wir mit diesem Knaben machen?” sagte der eine Mann. — “Was wir machen sollen?” sagte der andere Mann; “wir wollen ihn in einer Hülle (Ledersack) an dem Zinken eines Steines lassen vor dem Hause des Schmieds (dessen Name ist Maen, der Schmied des Königs), und wir wollen den Knaben bewachen und sehen, ob der Schmied sich seiner annehmen wird”. — Als dieser aus seinem Hause kam, sah er den Knaben in der Hülle und nahm ihn mit ins Haus. “Zünde eine Kerze an, Frau” sagte er, “damit man den Fund sieht, den ich getan habe”. Darauf wurde die Kerze zu ihnen gebracht. Da sprach Morand: “Hell ist Kerze”. Darauf wurde der Knabe durch Maen aufgezogen mit seiner eigenen Habe. Jene Jünglinge wußten aber, daß der Knabe ihm nicht gehörte.

Einst kam nun Coirpre zum Biertrunk zum Hause Maens. Wie sie am schönsten beim Trinken waren, ging der Knabe von einem Schoß zum andern und kam (so) in Coirpres Schoß. “Das Kind soll reich ausgestattet werden”  p.277 sagte Coirpre; “wessen Sohn ist es?” indem er einen schweren Seufzer ausstieß. Auch die Mutter des Knaben, Coirpres Frau, stieß einen Seufzer aus. “Was habt ihr?” sagte Maen; “erfaßt euch Neid? Obschon der Knabe mir wert ist und obschon er mein Sohn ist, es wäre mir lieber, er wäre der eure, weil ich euch sehr liebe und ihr ihn nötig habt”. — “Das ist uns eben nicht zuteil geworden” sagte Coirpre. — “Wohlan, Coirpre” sagten jene zwei Jünglinge, “einen guten Lohn würde der erhalten, der dir so einen Sohn gäbe”. — “Freilich einen guten” sagte Coirpre; “ich würde für ihn sein Gewicht an Silber geben und ein Drittel davon sollte Gold sein. Aber es hat ja keinen Nutzen das zu sagen, denn ihr führt eine eitle Rede”. — “Als könnten wir es tun” sagten die Jünglinge, “so gelobe es”. — Er gelobte es. Wie er es gelobt hatte, sprangen die Jünglinge zu ihm hin, legten den Knaben in seinen Schoß und erklärten ihn für sein Eigentum. “Dieser Knabe ist es” sagten sie, “den wir von dir erhalten haben um ihn zu ertränken, und das haben wir mit ihm gemacht”. — “Es ist alles wahr” sagte der Schmied. — Deshalb hieß er “Maens Sohn”. Und das sind die drei ersten Worte, die Morand gleich nach seiner Geburt gesprochen hat: “Rauh ist Woge. Kalt ist Wind. Hell ist Kerze.”

Später erhielt nun Morand das Hoch-Richteramt Irlands. Und sein Vater Coirpre starb. Und er sandte seinen Sohn zu Feradach dem Schönen-Glücklichen ins Gebiet von Albion, ihn zur Königsherrschaft über Irland zu holen. Denn dieser war vor Coirpre übers Meer hinüber geflohen, um nicht von ihm getötet zu werden. Auf seine Berufung hin kam er und erlangte das Hochkönigtum Irlands. Und Morand war Hoch-Richter von Irland. Und ... text breaks off.

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Title statement

Title (uniform, German): Welches sind die drei, die gleich nach ihrer Geburt zuerst gesprochen haben?

Title (supplementary): German translation

Editor: Rudolf Thurneysen

Author: unknown

Responsibility statement

Translated by: Rudolf Thurneysen

Electronic edition compiled by: Beatrix Färber

Funded by: University College, Cork and The Irish Higher Education Authority via the LDT Project.

Edition statement

2. Second draft, revised and corrected.

Responsibility statement

Proof corrections by: Benjamin Hazard

Extent: 1950 words

Publication statement

Publisher: CELT: Corpus of Electronic Texts: a project of University College, Cork

Address: College Road, Cork, Ireland—http://www.ucc.ie/celt

Date: 2003

Date: 2008

Date: 2018

Distributor: CELT online at University College, Cork, Ireland.

CELT document ID: D100035

Availability: Available with prior consent of the CELT programme for purposes of academic research and teaching only.

Source description

Manuscript sources

  1. Dublin, Trinity College Library, MS 1339, alias H 2 18 alias Book of Leinster (T. K. Abbott and E. J. Gwynn, Catalogue of Irish Manuscripts in the Library of Trinity College Dublin (Dublin 1921) 158–161).
  2. Dublin, Trinity College Library, MS 1318, col. 808–10, facsimile foliation 139a10–140a39, alias H 2 16 alias Yellow Book of Lecan (T. K. Abbott and E. J. Gwynn, Catalogue of Irish Manuscripts in the Library of Trinity College Dublin (Dublin 1921) 94–110, 342–48). This recension of the tale (which includes the missing final portion) is edited from MS item 2 by R. Thurneysen, 'Die drei Kinder, die gleich nach ihrer Geburt sprachen', Zeitschrift für Celtische Philologie 20 (1936) 192–200, being file G100036 in this corpus.

Editions

  1. Rudolf Thurneysen, 'Zur keltischen Literatur und Grammatik', Zeitschrift für Celtische Philologie 12 (1918) 271–289: 272–74.
  2. R. I. Best and M. A. O'Brien, 'The Book of Leinster' ii (Dublin: Institute for Advanced Studies 1956) 469–470.

Translation

  • Rudolf Thurneysen, Zur keltischen Literatur und Grammatik, Zeitschrift für Celtische Philologie 12 (1918) 271–289: 274–77 (German).

Sources, comment on the text, and secondary literature.

  1. R. I. Best, Osborn Bergin and M. A. O'Brien, The Book of Leinster i (Dublin 1954) pages xi–xx.
  2. Aubrey Gwynn, Some notes on the history of the Book of Leinster, Celtica 5 (1960) 8–12.
  3. Brian Ó Cuí [review of Aubrey Gwynn, art. cit.], Éigse 10 (1961–63) 263.
  4. T. F. O'Rahilly, Cairbre Cattchenn, John Ryan (ed), Féilsgríbhinn Eoin Mhic Néill (Dublin: Three Candles 1940) 101–110.
  5. William O'Sullivan, Notes on the scripts and make-up of the Book of Leinster, Celtica 7 (1966) 1–31. (The text is here edited from MS item 1.)
  6. Rudolf Thurneysen, Zur keltischen Literatur und Grammatik, Zeitschrift für Celtische Philologie 12 (1918) 271–289.
  7. Rudolf Thurneysen, Die drei Kinder, die gleich nach ihrer Geburt sprachen, Zeitschrift für Celtische Philologie 20 (1936) 192–200.

The edition used in the digital edition

‘Zur keltischen Literatur und Grammatik’ (1918). In: Zeitschrift für Celtische Philologie‍ 12. Ed. by Kuno Meyer, pp. 274–277.

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  title 	 = {Zur keltischen Literatur und Grammatik},
  journal 	 = {Zeitschrift für Celtische Philologie},
  editor 	 = {Kuno Meyer},
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  pages 	 = {274–277}
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 D100035.bib

Encoding description

Project description: CELT: Corpus of Electronic Texts

Sampling declarations

The text covers pages 274–277; the translator's footnotes are retained.

Editorial declarations

Correction: Text has been checked and proof-read twice.

Normalization: The electronic text represents the edited text. The footnotes are tagged note type="auth" n="".

Quotation: Quotations are rendered q.

Hyphenation: This follows the edited text.

Segmentation: div0=the saga.

Interpretation: Names are not tagged, nor are terms for cultural and social roles. The few Irish and Latin terms are tagged.

Reference declaration

The n attribute of each text in this corpus carries a unique identifying number for the whole text.

The title of the text is held as the first head element within each text.

div0 is reserved for the text (whether in one volume or many).

Profile description

Creation: Translation by Rudolf Thurneysen.

Date: c. 1917

Language usage

  • The translation is in German. (de)
  • Some words are retained in Old Irish. (ga)
  • One word is in Latin. (la)

Keywords: histor; prose; medieval; translation

Revision description

(Most recent first)

  1. 2018-04-18: Header details relating to editor and translation modified. (ed. Beatrix Färber)
  2. 2008-09-23: Keywords added; file validated; new wordcount made. (ed. Beatrix Färber)
  3. 2008-07-18: Div0 modified, content of 'langUsage' revised, minor modifications made to header. (ed. Beatrix Färber)
  4. 2005-08-25: Normalised language codes and edited langUsage for XML conversion (ed. Julianne Nyhan)
  5. 2005-08-04T14:18:29+0100: Converted to XML (conversion Peter Flynn)
  6. 2003-12-17: Header inserted from companion file, and modified; file proofed (2); HTML file created. (ed. Beatrix Färber)
  7. 2003-11-11: File scanned; first proofing of file, and quotations tagged. (ed. Benjamin Hazard)

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  1. Vollgeschrieben lautet der Name in diesem Text abwechselnd “Fiachu” (Gen. “Fiachach”), “Fiachra” und “Fiachna”. Auch im Lebor Gabála heißt er bald “Fiacha” bald “Fiachna mac Delbaeith” je nach den Handschriften. 🢀

  2. Genitiv von “dluig”, das nach Contrib. s. v. mit dúal und díl ungefähr gleichbedeutend scheint? 🢀

  3. Wortspiel mit “fiach” und “Fiachna” (“Fiachu”). 🢀

  4. Der Text ist wohl nicht ganz in Ordnung. Lies “Ro herbad dias ōclach”? 🢀

  5. “bé” soll das kindliche Stammeln nachahmen. Die jüngere Erzählung IT III, 1, 189 hat ihm einen erhabeneren Spruch in den Mund gelegt, der in der Verslehre II § 125 úberliefert war. 🢀

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