CELT document D301000A

Die Geburt Chonchobars

unknown

German Translation

Edited by Rudolf Thurneysen

Whole text

 p.69

Die Geburt Chonchobars

Einst herrschte Eochid Gelbferse, der Sohn Loichs, über Ulster. Er war ein berühmter König. Als ihm eine Tochter geboren wurde, übernahmen zwölf Pflegeväter ihre Erziehung. Sie hieß Assa, das soviel wie “umgänglich” bedeutet, denn sie war in ihrer Kindheit gesittet und sanft.

Zu jener Zeit kam ein Bandenführer namens Cathbad aus dem Süden, der eigentlich aus Ulster stammte. Er war nicht nur ein Krieger und Bandenführer, sondern auch ein Mann der Weisheit, denn er war Druide und besaß großes Wissen. Auf dem Kriegszug hatte er dreimal neun Mann bei sich. In einer Einöde traf er auf einen anderen Bandenführer, gleichfalls mit dreimal neun Mann. Zuerst kämpften sie miteinander, doch schließlich schlossen sie Frieden, damit sie sich nicht gegenseitig aufrieben, da sie gleich an Zahl waren. Cathbad ging vor ihnen her, weil er das Land kannte, und sie erschlugen die zwölf Pflegeväter des Mädchens, die eben in einem Haus bei einem Gelage vereinigt saßen. Nur das Mädchen entkam und man wußte nicht, wer die Männer erschlagen hatte.

Die Tochter ging klagend zu ihrem Vater. Der sagte,  p.70 er könne sie nicht rächen, weil er nicht wisse, wer die Täter seien. Da wurde das Mädchen zornig und begab sich selbst mit dreimal neun Mann auf einen Kriegszug, um ihre Pflegeväter zu rächen. Sie zerstörte und verwüstete ein Gebiet um das andere. Hatte sie bisher Assa geheißen. so nannten sie die Leute jetzt Ni-Assa. was so viel wie “nicht umgänglich” bedeutet, oder Ness wegen ihrer Streitlust und ihrer Tapferkeit. Und jeden Fremdling, den sie sah, frage sie nach Bandenführern aus, in der Hoffnung, etwas über die Missetat zu erfahren, die ihr widerfahren war.

Einmal befand sie sich in einer Einöde. Ihre Leute bereiteten das Essen. Sie ging indessen allein umher und erblickte ein schönes einladendes Wasser. Sie legte ihre Waffen und Kleider ab und badete. So traf sie eine fremde Bande an. Das war Cathbad mit seinen Leuten. Er stellte sich zwischen sie und ihre Waffen und zog das Schwert gegen sie.

“Laß mich am Leben!” bat das Mädchen.

“So gewähre mir drei Forderungen!” erwiderte Cathbad.

“Ja”, sagte das Mächen. “Vielleicht kann ich sie dir gewähren.”

“Sicherheit für meine Person, Freundschaft mit dir, und daß du meine Gefährtin seist solang ich lebe.”

“Das sollst du haben”, erwiderte sie.

“Dann wird unser Bund zu Ende sein,” sagte da der andere Bandenführer zu Cathbad und zog davon.

Cathbad aber ging mit Assa zu ihrem Vater. Der nahm sie sehr gut auf und schenkte Cathbad in Ulster Land: Die Cathbad-Burg bei Cremthinne, in der Nähe des Baches Conchobar im Gebiet von Ross.

Einst hatte Cathbad in der Nacht großen Durst. Seine Frau stand auf, um ihm etwas zu trinken zu holen, fand aber in der Burg nichts. Da ging sie bis zum Conchobar, seihte das Wasser durch ihren Schleier in den Becher  p.71 und brachte es ihm. “Licht”, befahl er, “ob etwa Tiere im Wasser sind!” – Es wurde ihnen Licht gebracht, und man sah zwei Würmer im Wasser. Da zog er das Schwert gegen seine Frau und sagte: “Trink du, was du mir geholt hast!” – Die Frau machte zwei Züge, und mit jedem trank sie einen Wurm. Da wurde sie schwanger.

Cathbad ging mit seiner Frau zu einer Unterredung mit Eochid Gelbferse. Sie waren zum Murthemne-Feld gelangt, als bei ihr die Wehen einsetzten. “Stünde es in deiner Macht”, sagte Cathbad, “daß dein Kind erst heute nacht zur Welt käme, so würde der Knabe ein König werden, und sein Name würde erhaben sein über den der Männer Irlands. Denn in dieser Nacht wird im Osten der Welt ein herrliches Kind geboren werden und wird erhaben sein über alle Menschen der Erde; das ist Jesus Christus.”

“Ich werd's versuchen,” sagte die Frau, “es sei denn, das Kind kommt mir zur Seite heraus! Laß uns weitergehen, nach Mag Innis.”

Hier legte sie sich am Ufer gegen eine Steinplatte des Argdig-Wassers, westlich von der Lethglais-Burg, und erst in der Nacht wurde das Kind geboren. Die Steinplatte, auf der es zur Welt kam, und auch das Grab der Frau sind noch dort zu finden. Bei der Geburt hatte das Kind in jeder Faust einen Wurm, das waren jene, die seine Mutter mit dem Wasser des Conchobar getrunken hatte. Und so wurde der Junge nach dem Bach Conchobar benannt. Geboren aber ist er in Mag Inis. Er erhielt die Herrschaft über das Fünftel Ulster wegen des Ranges seiner Mutter und der Kunst und Weisheit seines Vaters und durch seine eigene Taperkeit und Waffenkunde, und er wurde ein berühmter König.

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Title (uniform): Die Geburt Chonchobars

Title (supplementary): German Translation

Editor: Rudolf Thurneysen

Author: unknown

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Translated by: Rudolf Thurneysen

Electronic edition compiled by: Beatrix Färber

Funded by: The HEA via PRTLI4

Edition statement

1. First draft, revised and corrected.

Extent: 1350 words

Publication statement

Publisher: CELT: Corpus of Electronic Texts: a project of University College, Cork

Address: College Road, Cork, Ireland—http:www.ucc.ie/celt

Date: 2009

Date: 2018

Distributor: CELT online at University College, Cork, Ireland.

CELT document ID: D301000A

Availability: Available with prior consent of the CELT programme for purposes of academic research and teaching only.

Source description

Manuscript sources [supplied from Professor Corthals's MsOmit]

  1. Dublin, Royal Irish Academy, Book of Ballymote: p 259b-260a (2 versions).
  2. Dublin, Royal Irish Academy, D IV 2: f 45Rb-46Ra (2nd version).
  3. London, British Library, Egerton 1782: f 77V-78V (2nd version).
  4. Dublin, National Library of Ireland, MS G 7: col. 4.
  5. Dublin, Trinity College, MS H 3.18 (cat. 1337): III, p 48b; XIX, 604-605 (glossed extracts).
  6. Dublin, Trinity College, MS H 4.22 (cat. 1363): IV, p 40
  7. Dublin, Royal Irish Academy, MS 23 P 2 (Book of Lecan): f 191Va-b.
  8. Oxford, Bodleian Library, Rawlinson B 512: III, f 100Vb.
  9. Dublin, Trinity College, 1318 olim H. 2. 16 al. Yellow Book of Lecan, III, col. 886-887 (facs.: p 179b-180a) 14th century. [On this Thurneysen's translation is based.]

Editions

  1. Kuno Meyer, Anecdota from the Stowe Ms. N 992, in: Revue Celtique 6 (1884) 173–86 (pp. 173-82) [longer text from D IV 2 with variants from YBL and Eg. 1782].
  2. Kuno Meyer, in: Hibernica Minora. Oxford 1894, p. 50 [short text from Rawl. B 502].
  3. Vernam Hull, The Conception of Conchobor, in: Irish Texts. Fasc. IV. London 1934, pp. 4-12 [shorter text based on YBL, BB, Lecan, Rawl. 502, H 3.18 and H 4.22; text of G 7].

The edition used in the digital edition

Thurneysen, Rudolf (1987). Keltische Sagen aus dem alten Irland‍. Wiesbaden: VMA Verlag, , UNKNOWN = measure.

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Encoding description

Project description: CELT: Corpus of Electronic Texts

Editorial declarations

Correction: Text has been checked and proofread twice.

Normalization: The electronic text represents the edited text.

Quotation: Direct speech is marked q.

Hyphenation: When a hyphenated word (hard or soft) crosses a page-break or line-break, the break is marked after the completion of hyphenated word and punctuation mark.

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Interpretation: Personal names (given names), place-names and group names are not tagged.

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The n attribute of each text in this corpus carries a unique identifying number for the whole text. The title of the text is held as the first head element within each text. div0 is reserved for the text (whether in one volume or many).

Profile description

Creation: Rudolf Thurneysen. between 1892 and 1900

Language usage

  • The text is in German. (de)

Keywords: saga; prose; Ulster Cycle; medieval; Conchobar mac Nessa; translation

Revision description

(Most recent first)

  1. 2018-04-18: Header details relating to editor and translation modified. (ed. Beatrix Färber)
  2. 2009-08-30: Text proofed (1, 2) and encoded for structure; header created; file parsed. SGML and HTML files created. (ed. Beatrix Färber)
  3. 2009-08-28: Text captured by typing. (text capture Beatrix Färber)

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