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Fraechs Werbung um Finnabir

unknown

Táin Bó Fraich

Edited by Rudolf Thurneysen

Fraechs Werbung um Finnabir

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Fraechs Werbung um Finnabir

Fraech Idads Sohn aus Connaught war ein Sohn der Side Befinn, einer Schwester der Boyne. Dieser Mann, der nicht sehr alt wurde, war der schönste Krieger unter den Iren und Schotten. Seine Mutter schenkte ihm aus dem Side zwölf weiße Kühe mit roten Ohren. Sein Gehöft gedieh auch ohne Frau acht Jahre lang prächtig. Fünfzig Königssöhne, in seinem Alter und mit gleicher Bildung, lebten als Gefährten in seinem Hause.

Finnabir, die Tochter von Alill und Medb, liebte ihn auf Grund der Berichte, die sie über ihn hörte, denn in Irland und Schottland wurde viel Ruhmvolles über ihn erzählt. Von dieser Liebe erfuhr Fraech Idads Sohn, und er nahm sich vor, zu dem Mädchen hinaufzugehen und mit ihm zu reden. Er sprach darüber mit seinen Gefährten, und die rieten ihm: “Schicke jemand zur Schwester deiner Mutter mit der Bitte, dir Prachtgewänder und Side-Geschenke zu überlassen.”

Da ging er selbst zu seiner Tante Boyne nach Mag Breg, und sie schenkte ihm, was er sich wünschte. Er und seine Gefährten erhielten fünfzig blauschwarze Mäntel mit vier schwarzgrauen Zipfeln und einer Spange aus Rotgold. Des weiteren fünfzig glänzend weiße Hemden, die ringsum mit goldenen Schnörkeltieren bestickt waren, sowie fünfzig Paar purpurne Schuhe mit silbernen Fäden, mit Schnallen aus Gold und Silber und mit Stickereien verziert. Weiter noch fünfzig silberne Schilde mit goldenen Rändern und fünfzig Schwerter mit goldenen Griffen und Beinkleider aus  p.121 Bronze. Und für die Hand eines jeden Mannes einen Königshallen-Lichtstock. An jedem waren fünfzig Bänder aus Silberbronze mit einem Stift aus geglühtem Gold befestigt, der Fuß aus einem Karfunkel, der Kerzenstachel aus Edelsteinen, die nachts wie Sonnenstrahlen leuchteten. Auch erhielten sie noch graue Reitpferde mit goldenem Gebiß, und am Hals eines jeden Pferdes hing ein glattes Silberplättchen mit einem goldenen Glöckchen. Fünfzig Pferdestachel mit einem goldenen Häkchen am Ende gehörten ebenfalls zu dieser Ausrüstung. Auch fehlten nicht sieben Jagdhunde an silbernen Ketten, immer zwei durch eine Goldkugel getrennt.

Sieben Hornbläser begleiteten sie, mit goldenen und silbernen Hörnern, in vielfarbigen Gewändern und glänzenden Mänteln und mit langem goldgelbem Haar. Vor ihnen her liefen drei Narren mit silbernen, goldverzierten Kopfreifen. Jeder von ihnen hatte einen Schild mit gestickten Emblemen sowie einen schwarzen Stock, in den der Länge nach Bronzestreifen eingelegt waren. Auch drei Harfenspieler in Fürstentracht begleiteten den Zug.

So ausgestattet, machten sie sich auf den Weg nach Cruachna. Der Späher erblickte sie von der Burg aus, als sie das Feld von Cruachna erreicht hatten. “Ich sehe eine Schar auf die Burg zukommen”, rief er hinab, “seit Alill und Medb die Herrschaft erlangt haben, ist noch keine so zauberhaft glänzende Schar hergekommen und wird auch nie wieder kommen. Weht der Wind vor ihnen her, so ist mir, als steckte mein Kopf in einem Weinfaß. Das Spiel, das der junge Krieger dort treibt — so etwas habe ich noch nie gesehen: Er schleudert seinen Stock einen Wurf weit fort, und bevor er auf die Erde fällt, fangen ihn sieben Jagdhunde an Silberketten auf.”

Da verließen die Leute die Cruachna-Burg, um die näher kommende Schar zu bestaunen. Und in der Burg  p.122 drängten sich die Zuschauer derart, daß sechzehn Leute umkamen.

Vor der Burg sprangen die jungen Männer von ihren Pferden, zäumten sie ab und ließen ihre Jagdhunde los. Die jagten sieben Hirsche, sieben Füchse, sieben Hasen und sieben Eber auf Cruachna zu, so daß die Männer auf dem Platz vor der Burg sie erlegen konnten. Dann sprangen die Jagdhunde in die Brei, fingen sieben Fischottern und brachten sie herbei.

Nun sandte der König zu ihnen hinaus und man fragte sie, wer sie seien und woher sie kämen. “Fraech Idads Sohn”, lautete die Antwort. Das meldete der Hofmeister dem König und der Königin. “Sie sind willkommen”, sagten nun Alill und Medb. Und Alill fügte hinzu: “Das ist ein prächtiger junger Mann, er soll in den Hof kommen.”

Ein Viertel des Hauses, in dem sieben Reihen mit je sieben Liegestätten zwischen Feuer und Wand standen, wurde ihnen überlassen. Jedes Lager hatte eine bronzene Stirnseite und ein anderes Gesims aus roter Eibe sowie drei bronzene Säulen auf der Vorderseite und schließlich noch sieben Säulen aus Kupfer vom Mittelteil bis zum Dach des Hauses. Dieses war aus Fichtenholz und mit Schindeln gedeckt. Vor jedem der sechzehn Fenster war ein Laden aus Kupfer angebracht und über dem Oberlicht ein kupfernes Joch. Genau in der Mitte des Hauses stand Alills und Medbs Liegestatt. Die vier kupfernen Baldachine darüber waren mit Bronze verziert. Zwei mit Vergoldungen geschmückte silberne Wände umgaben diese Liegestatt, an deren Stirnseite ein silberner Stab hing, mit dem man bis an den Querbalken des Hauses reichen konnte.

Fraech und seine Gefährten gingen von Tür zu Tür durchs ganze Haus, dann hingen sie ihre Waffen auf und setzten sich. Alill und Medb begrüßten ihre Gäste und fügten hinzu, daß sie nichts Besonderes zu bieten hätten.

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Dann spielten Medb und Alill Schach, und auch Fraech spielte mit seinen Gefährten Schach. Sein Schachspiel war besonders schön: das Brett aus Silberbronze mit vier goldenen Ecken. Edles Gestein spendete den Spielern Licht, und die Figuren waren aus Gold und Silber. “Bereitet für unsere Gäste, ein Mahl vor!” sagte nun Alill. “Ich möchte gern noch mit Fraech auf jenem Brett Schach spielen”, sagte Medb. “Geh nur zu ihm, mir ist es recht”, antwortete Alill.

Da spielte sie mit Fraech Schach, während seine Gefährten draußen das Wild zubereiteten. “Laß deine Harfner uns aufspielen”, sagte Alill zu Fraech. — “Gut, sie sollen spielen”, erwiderte dieser. Die Harfen steckten in einem Sack aus Otterfellen, die mit Saffian und Gold- und Silberschmuck verziert waren. Die Harfen waren in feinstes, weißes mit schwarzgrauen Augen besetztes Wildziegenleder gehüllt, die Saiten außerdem in weißes Linnen. Und die Harfen selbst waren aus Gold und Silber und Weißbronze, verziert mit goldenen und silbernen Schlangen, Vögeln und Hunden. Wurden die Harfen geschlagen, bewegten sich diese Tiergestalten um die Männer herum. Nun spielten sie ihnen derart auf, daß zwölf Männer aus Alills Gefolge vor Kummer und Schmerz starben. Schön waren die drei Harfner und wohlklingend ihr Spiel. Es waren 'Uathnes Söhne', die weithin bekannten Drillinge Klageweise, Lachweise und Schlafweise. Benannt waren sie nach jener Melodie, die ihr Vater auf der Harfe des Dagda spielte, während ihre Mutter, Boyne von den Side, sie gebar. Anfangs, bei der Heftigkeit der Schmerzen kam ihr die Melodie wie ein Klageruf vor; etwas später, bei der Freude über die ersten beiden Söhne, klang sie ihr wie fröhliches Lachen; und als der letzte Sohn geboren war, brachte ihr die Melodie lindernden Schlaf. Als dann Boyne aus dem Schlaf erwachte, sprach sie: “Nimm sie an, deine drei Söhne, feuriger Uathan! Denn es sind 'Klageweise, Lachweise  p.124 und Schlafweise für Kühe und für Frauen'. Sie werden einst bei Alill und Medb fallen. Männer werden sterben, wenn sie ihre Harfen nur stimmen hören!”

Als sie drei Tage und drei Nächte Schach gespielt hatten und bei Fraechs Gefährten eine Menge Edelsteine leuchteten, sagte Fraech zu Medb: “Ich stehe gut gegen dich. Aber ich will deinen Spieleinsatz, um deiner Ehre willen, nicht haben.” — “Von all den Tagen, die ich in dieser Burg wohne, kommt mir der heutige als der längste vor”, sagte Medb. — “Das ist verständlich”, erwiderte Fraech, “da es drei Tage und drei Nächte sind!” — Da sprang Medb auf, denn sie schämte sich, daß sie den Gästen noch nichts zu essen angeboten hatte. Sie ging zu Alill und sprach zu ihm: “Wir haben uns schwer vergangen, da die Männer, die eine weite Reise hatten, noch nichts zu essen bekommen haben.” — “Du wolltest lieber Schach spielen”, erwiderte Alill. — “Deshalb hätte dennoch an Fraechs Gefährten Essen verteilt werden können. Es sind drei Tage und drei Nächte vergangen, nur haben wir wegen des hellen Scheins der Edelsteine nichts von der Nacht bemerkt.” — “Sagt ihnen, sie sollen mit ihren Spielen aufhören, dann wird ihnen Essen ausgeteilt werden”, sagte Alill.

Als sie ihr Spiel im Palast beendet hatten, rief Fergus aus Ulster, der als Verbannter in Connaught lebte: “Ein Wunder ist geschehen!” — “Teilt das Essen aus!” sagte Fraech zu seinen Gefährten. “Bringt es herein!” — Da ging Lothur, der Zerleger von Alill und Medb, in die Mitte des Hauses und zerlegte das gebratene Wild auf seiner flachen Hand, indem er jedes Gelenk mit dem Schwert zerhieb, ohne sich selbst zu verletzen. Seit er das Amt des Zerlegers ausübte, war noch nie in seiner Hand etwas verdorben worden. Nun erhielten sie reichlich zu essen und zu trinken und fühlten sich wohl, so daß sie weitere drei Tage und drei Nächte beim Gelage blieben.

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Danach wurde Fraech ins Haus der Unterredung gerufen und gefragt, was ihn hergeführt habe. “Ich wollte euch einen Besuch abstatten”, erwiderte er. “Eure Gesellschaft gefällt unseren Hausgefährten”, sagte Alill. “Es wäre uns lieber, ihr wärt mit noch größerem Gefolge gekommen.” — “So wollen wir noch etwa eine Woche hier bleiben”, sagte Fraech.

Sie blieben vierzehn Tage in der Burg. Und jeden Tag hielten sie in die Richtung der Burg eine Treibjagd ab, bei der die Connachter zusahen. Fraech aber ärgerte es, daß er nicht mit dem Mädchen sprechen konnte, denn das hatte ihn ja hergeführt.

Eines Tages ging er am Ende einer Nacht zum Wasser hinaus, um sich zu waschen. Zur gleichen Zeit kam auch Finnabir mit ihrer Magd zum Wasser. Er ergriff ihre Hand und sagte: “Bleib und sprich mit mir!” “Mir würde es gewiß gefallen”, erwiderte das Mädchen, “wenn ich es nur könnte. Aber ich kann nichts für dich tun.” “Willst du mit mir fliehen?” “Nein, davonlaufen will ich nicht, denn ich bin die Tochter eines Königs und einer Königin. Du bist ja nicht so arm, daß du mich nicht von meinen Leuten erhalten könntest. Dann kann ich zu dir kommen, denn ich liebe dich. — Nimm diesen Daumenring”, sprach sie weiter, “er soll ein Zeichen zwischen uns sein. Ich erhielt ihn von meiner Mutter und werd ihr nun sagen, ich hab ihn verloren.” Dann trennten sie sich.

“Ich fürchte”, sagte Alill, “das Mädchen läuft mit Fraech davon. Und wenn wir es ihm geben würden, wäre es von Nutzen, denn er würde mit seinem Vieh zu uns stoßen, um uns beim Rinderraub zu unterstützen.” Da betrat Fraech das Haus der Unterredung. “Habt ihr etwas zu beraten?” fragte er.  p.126 “Du kannst daran teilnehmen”, antwortete Alill. “Wollt ihr mir eure Tochter geben?” Die Leute sahen sich an. “Du sollst sie bekommen”, sagte Alill nun, “wenn du den Brautpreis zahlst, den ich dir nennen werde.” “Du wirst ihn bekommen”, erwiderte Fraech. “So gib mir dreimal zwanzig schwarzgraue Pferde mit goldenem Gebiß, und zwölf Milchkühe, von denen jede ein weißes Kalb mit roten Ohren hat, auch muß jede dieser Kühe bei einmaligem Melken Milch fürs ganze Haus geben. Und du selbst kommst mit all deinen Leuten und deinen Musikanten zum Raub der Rinder von Cualgne. Sobald du zurück sein wirst, erhältst du meine Tochter.” “Ich schwöre bei meinem Schild und bei meinem Schwert und bei meiner Rüstung, das würde ich nicht einmal als Brautpreis für Medb selbst zahlen!” — Damit verließ er das Haus.

Nun besprachen sich Alill und Medb. “Er wird die Könige Irlands gegen uns aufbringen, wenn er das Mädchen entführt. Wohl besser, wenn wir ihm sofort nacheilen und ihn töten, bevor er Unheil anrichten kann!” “Das ist schändlich”, meinte Medb, “und gegen unsere Ehre.” “So, wie ich vorgehen werde, wird unsere Ehre unangetastet bleiben”, erwiderte Alill. Und Alill sprach weiter: “Laßt uns draußen die Jagdhunde bei ihrem Spiel beobachten, bis wir müde sind.”

Danach gingen sie alle zum Wasser, um zu baden. “Man sagt, du seist ein guter Schwimmer”, sagte nun Alill zu Fraech. “Geh ins Wasser und zeige uns, was du kannst.” “Was ist mit dem Wasser?” fragte Fraech. “Es ist völlig ungefährlich”, antwortete Alill. “Man badet oft darin.” Da zog sich Fraech aus, legte den Gürtel auf seine Kleider obenauf und ging ins Wasser. Alill aber öffnete heimlich Fraechs Börse und fand darin den  p.127 Daumenring. Er erkannte ihn und sagte zu Medb: “Komm her! Erkennst du das?” — “Ja, ich erkenne es”, antwortete sie. — Da warf Alill den Ring ins Wasser. Fraech aber hatte Alill beobachtet und sah nun, wie ein Salm hochsprang und den Ring mit dem Maul auffing. Da stürzte er auf den Salm zu und packte ihn an den Kiemen, dann näherte er sich dem Land und versteckte den Salm am Ufer. Nun wollte er aus dem Wasser steigen.

“Bleib noch!” sagte Alill. “Bring mir erst einen Zweig von dem Vogelbeerbaum, der dort am anderen Ufer steht. Seine Beeren gefallen mir.” Da schwamm Fraech hin, brach Zweige von dem Baum und brachte sie auf seiner Schulter übers Wasser. Und Finnabir rief: “Ist er nicht schön?” — Wie Fraech so über das schwarze Wasser kam, das war für sie ein herrlicher Anblick: der weiße Körper, das wohlgeformte schöne Gesicht, die blauen Augen, die schlanke, untadelige Gestalt des Mannes, der den Zweig mit den roten Beeren zwischen Hals und Gesicht trug. Finnabir sagte, sie habe nie einen Mann gesehen, der nur entfernt der Schönheit Fraechs gleiche.

Er reichte ihnen die Zweige aus dem Wasser. — “Die Beeren sind wunderschön! Hol uns mehr davon”, rief Alill. — Und wieder schwamm er hinüber. Und als er die Mitte des Wassers erreicht hatte, packte ihn ein Seeungeheuer. “Bringt mir ein Schwert!” rief er. Aber aus Angst vor Alill und Medb wagte es keiner der Männer am Ufer. Finnabir legte ihr Kleid ab und sprang mit einem Schwert ins Wasser. Da warf ihr Vater einen fünfspitzigen Speer nach ihr, der ihr durch zwei Haarflechten fuhr. Fraech aber fing ihn auf und schleuderte ihn ans Land zurück, so daß er durch Alills Purpurmantel und Hemd hindurchfuhr. Das war ein Bogenwurf, ein Waffenkunststück. Da ergriffen die Männer mit Alill und Medb die Flucht. Fraech aber nahm Finnabirs Schwert und hieb dem Untier, das ihn gepackt hatte, den  p.128 Kopf ab, so daß der Rumpf auf dem Wasser schwamm. Dann nahm er diesen mit an Land. Seither heißt die Brei in Connaught 'Fraechs Schwarzwasser'.

Alill und Medb kehrten in ihre Burg zurück. “Wir haben uns schwer vergangen!” sagte Medb. “Was ich gegen den Mann unternommen habe, tut mir leid”, erwiderte Alill. “Das Mädchen aber — seine Lippen sollen morgen abend ersterben! Doch soll nicht der Überbringer des Schwertes als der Schuldige angesehen werden. — Für den Mann bereitet ein Bad! Macht einen Sud von frischem Schweinefett und zerhackt das Fleisch einer Kalbin mit Axt und Beil und gebt auch dieses ins Bad.” Und so geschah es. Nun ging auch Fraech zur Burg, angeführt von den Hornisten. Die bliesen so inbrünstig, daß dreißig von Alills Vertrauten vor Sehnsucht starben. Als Fraech nun die Burg betrat, wurde er ins Bad geführt. Und die Schar der Frauen stand an der Wanne um ihn herum und rieb ihm den mit Wasser benetzten Kopf. Dann wurde er aus der Wanne gehoben und man bereitete ein Lager.

Da hörte man über Cruachna Klagerufe ertönen und erblickte dreimal fünfzig Frauen in purpurnen Gewändern, mit grünen Hauben und silbernen Reifen an den Handgelenken. Man ging zu ihnen und fragte, warum sie klagen. “Um Fraech Idads Sohn”, sagte eine der Frauen, “um den Liebling der Side-Fürsten Irlands!” Auch Fraech hörte die Klagerufe. “Tragt mich hinaus!” sagte er zu seinen Gefährten. “Ich höre die Klage meiner Mutter und der Frauen der Boyne.” Da wurde er zu ihnen hinaus getragen. Die Frauen umringten ihn und trugen ihn nach dem Sid von Cruachna.

Um die neunte Stunde des anderen Tags sah man ihn völlig gesund zurückkehren. Umgeben war er von fünfzig gleichaltrigen und gleichgestalteten Frauen, auch ihre Schönheit, Anmut und Bildung unterschieden sich nicht voneinander. Gekleidet waren sie nach Art der  p.129 Side-Frauen, so daß man eine mit der anderen verwechseln konnte. Die Leute erdrückten sich beinahe, um diesen Zug zu sehen. Vor dem Hof trennten sie sich. Und als sie gegangen waren, ließen sie ihre Klage ertönen. Die brachte die Leute im Hof um den Verstand. Von daher rührt der 'Klageruf der Side-Frauen', den die Musikanten Irlands spielen.

Als Fraech die Burg betrat, standen alle Leute auf und begrüßten ihn, als käme er aus einer anderen Welt. Auch Alill und Medb erhoben sich und zeigten sich reuig — und sie schlossen Frieden. Dann setzten sie sich bis in die Nacht hinein zum Gelage.

Schließlich rief Fraech einen Burschen aus seinem Gefolge zu sich: “Geh zu jener Stelle am Ufer, wo ich ins Wasser gegangen bin. Dort habe ich einen Salm versteckt. Bring ihn Finnabir und sag ihr, sie soll ihn selbst zubereiten. In seinem Innern befindet sich der Daumenring, und ich glaube, man wird diesen heute abend sehen wollen.” Man berauschte sich und erfreute sich an der Musik. Da sagte Alill: “Bringt mir all meine Schätze!” — Und dies geschah, und man breitete sie vor ihm aus. “Herrlich! Prachtvoll!” sagten da alle.

“Ruft mir Finnabir!” befahl Alill nun. Umgeben von fünfzig Mädchen betrat sie den Festsaal. “Mädchen”, sagte Alill, “den Daumenring, den ich dir vor einem Jahr gegeben habe, hast du den noch? Bring ihn her, damit ich ihn den Männern zeigen kann. Danach soll er wieder dir gehören.” “Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist”, erwiderte sie. “So such ihn! Du mußt ihn finden, oder deine Seele verläßt den Leib!” — “Das ist die Sache nicht wert”, sagten da die Männer. “Es liegt doch so viel Schönes vor dir ausgebreitet.” Und Fraech sprach: “Ich besitze keinen Schatz, den  p.130 ich nicht für das Mädchen hingäbe, weil sie mir das Schwert gebracht hat, um mir das Leben zu retten.” “Du hast keine Schätze, die sie retten könnten, wenn sie den Ring nicht bringt”, erwiderte Alill. “Ich weiß nicht, wo er ist”, sagte das Mädchen abermals, “mache mit mir also, was du willst!” “Ich schwöre bei Gott, bei dem mein Stamm schwört: Deine Lippen werden für immer schweigen, wenn du ihn nicht bringst. Und ich weiß, daß du meiner Aufforderung nicht nachkommen kannst. Denn dort, wo der Ring liegt, wird er bleiben, bis die Menschen, die seit dem Anfang der Welt gestorben sind, zurückkehren.” “Belohnung oder Wunsch bringen den Ring nicht zurück”, sagte das Mädchen. “Da du jedoch so hartnäckig bist, will ich gehen und das Verlangte holen.” “Du gehst nicht!” entgegnete Alill. “Schick jemanden danach.”

Und das Mädchen befahl seiner Magd, ihn zu holen. “Ich schwöre bei Gott, bei dem mein Stamm schwört: Wird der Ring gefunden, werde ich nicht länger unter deiner Macht stehen, nachdem du mich in deiner Trunkenheit beschimpft hast.” “Findet sich der Daumenring, so werde ich dich nicht abhalten, und wenn du mit dem Pferdeknecht gehen willst!”

Da brachte die Magd eine Schüssel mit dem gekochten Salm in den Palast. Er war mit Honig bestrichen und von dem Mädchen gut zubereitet worden. Und oben auf dem Salm lag der goldene Daumenring. Alill und Medb prüften ihn. “Laßt mich sehen!” sagte Fraech und untersuchte seine Börse. “Ich glaube, ich ließ den Gürtel nicht ohne Zeugen am Ufer zurück! Bei deinem Königswort, sprich, was hast du mit dem Ring gemacht?”  p.131 “Ich will es dir nicht verschweigen”, erwiderte Alill. “Mir gehört der Daumenring, den du in der Börse hattest, und ich wußte, daß du ihn von Finnabir bekommen hattest. Da hab ich ihn ins Schwarzwasser geworfen. Bei deinem Ehrenwort, Fraech, erzähle, wie er wieder herauskam!” “Ich will es dir sagen. Als ich den Daumenring draußen im Gehöft fand, wußte ich, daß er ein kostbares Kleinod ist und deshalb nahm ich ihn an mich. Später sah ich, wie das Mädchen hinausging und suchte. Ich sagte zu ihm: 'Welchen Finderlohn willst du mir geben?' — Sie antwortete, sie werde mir ein Jahr lang ihre Liebe schenken. Ich hatte den Ring jedoch zu Hause gelassen, so daß ich ihn ihr nicht gleich geben konnte. Dann haben wir uns nicht mehr getroffen, bis sie mir im Wasser das Schwert brachte. Ich hatte aber beobachtet, wie du die Börse öffnetest und den Ring ins Wasser warfst, und ich sah den Salm danach springen und den Ring mit dem Maul auffangen. Da fing ich den Salm, brachte ihn ans Ufer und gab ihn dort dem Mädchen. Hier auf der Schüssel liegt der Salm.”

Über diese Geschichte staunten die Leute im Haus sehr. “Nie wird es in Irland für mich einen anderen Mann geben!” sagte Finnabir. “Du sollst ihm gehören”, sagten da Alill und Medb. “Und du komm zu uns mit deinen Kühen zum Raub der Rinder von Cualgne. Wenn du mit deinem Vieh zurückkehrst, sollst du noch in der gleichen Nacht das Lager mit Finnabir teilen.” “Das will ich tun”, erwiderte Fraech.

Sie blieben noch bis zum folgenden Tag, dann brachen Fraech und seine Gefährten auf, nachdem sie sich von Alill und Medb verabschiedet hatten, und kehrten in ihr Gebiet zurück.

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Title statement

Title (uniform): Fraechs Werbung um Finnabir

Title (original, Irish): Táin Bó Fraich

Editor: Rudolf Thurneysen

Author: unknown

Responsibility statement

Translated by: Rudolf Thurneysen

Electronic edition compiled and proofread by: Beatrix Färber and Sara Sponholz, Freie Universität Berlin

Funded by: University College, Cork

Edition statement

1. First draft.

Extent: 4590 words

Publication statement

Publisher: CELT: Corpus of Electronic Texts: a project of University College, Cork

Address: College Road, Cork, Ireland—http:www.ucc.ie/celt

Date: 2011

Date: 2018

Distributor: CELT online at University College, Cork, Ireland.

CELT document ID: D301006A

Availability: Available with prior consent of the CELT programme for purposes of academic research and teaching only.

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Manuscript sources

  1. Dublin, Trinity College, MS H 2. 18 (cat. 1339) (Book of Leinster alias Leabhar na Núachongbála), p 248a–252b.
  2. Dublin, Trinity College, MS H 2. 16 (cat. 1318) (Yellow Book of Lecan), col. 649–658 (facs. p 55b–60a).
  3. Edinburgh, National Library of Scotland, MS no. XL, p 37b–45b. (Not used by Thurneysen).
  4. London, British Library, Egerton 1782, f v–87v. (Not used by Thurneysen).
  5. Dublin, Trinity College, MS H 3. 18 (cat. 1337), p 604 (glossed extracts). (Not used by Thurneysen).

Editions

  1. Kuno Meyer, Mitteilungen aus irischen Handschriften, in: Zeitschrift für celtische Philologie 4 (1902) 31–47 [Eg. 1782].
  2. Allan O. Anderson, Táin bó Fráich, in: Revue Celtique 24 (1903) 127–54 (143–54) [Ed. XL].
  3. Mary E. Byrne and Myles Dillon, Táin Bó Fraich. Dublin 1933 [LL and YBL].
  4. Mary E. Byrne and Myles Dillon, in: Études Celtiques 3 (1938) 20–21 [H 3.18].
  5. Wolfgang Meid, Táin Bó Fraích. Dublin 1974 [LL with variants].
  6. Wolfgang Meid, Die Romanze von Froech und Findabair. Táin Bó Froích. Altirischer Text, mit Einleitung, deutscher Übersetzung, ausführlichem philologisch-linguistischen Kommentar und Glossar kritisch herausgegeben von Wolfgang Meid, Innsbruck, 1970 (based on all MSS; with German translation).
  7. Wolfgang Meid, The Yellow Book of Lecan Version of Táin Bó Fraích, in: Zeitschrift für celtische Philologie 36 (1978) 83–95.
  8. Christian-J. Guyonvarc'h, Táin Bó Fráech, ed. with extensive notes and translation, in: Ogam 16 (1964) 485–488; 17 (1965) 205–208, 429–432; 18 (1966) 173–176, 413–416, 525–528.

Translations

  1. Rudolf Thurneysen, Fraechs Werbung um Finnabair, in: Sagen aus dem alten Irland, Berlin, 1901, 115–125; (German).
  2. Wolfgang Meid, Die Romanze von Froech und Findabair, Innsbruck, 1970; (German).
  3. A. Anderson, Táin bó Fráich, Revue Celtique 24, 127–154; (English).
  4. A. H. Leahy, Tain Bo Fraich, in: Historic Romances of Ireland, London 1905–1906, volume II, 7–67; (English).
  5. M. E. Byrne and Myles Dillon, Táin Bó Fraích, Études Celtiques 2, 1–27; (English).
  6. James Carney, The driving of the cattle of Froech, in: Studies in Irish literature and history, Dublin, 1955, 1–24; (English).
  7. Jeffrey Gantz, The cattle raid of Fróech, in: Early Irish Myths and Sagas, London, 1981; 113–126; (English).
  8. Georges Dottin, La courise de Findabair, in: L'épopée irlandaise, Paris, 1926, 86–101; (French).
  9. M. Ó Máirtin, Táin Bha Fhraoigh, An tUltach Iml. 53, Uimh. 4, 7–8; (Modern Irish).
  10. Maartje Draak and F. de Jong, Fraech, in: Van helden, elfen en dichters. De oudste verhalen uit Ierland. Amsterdam, 1979, 72–84; (Dutch).
  11. Sergey Shkunayev, Pokhishcheniye stad Froekha, in: T. A. Mikhaylova and S. V. Shkunayev, Pokhishcheniye byka iz Kualnge, Moscow 1985, 84–101; (Russian).
  12. Christian-J. Guyonvarc'h, Táin Bó Fráech, ed. with extensive notes and translation, Ogam 16 (1964) 485–488; 17 (1965) 205–208, 429–432; 18(1966) 173–176, 413–416, 525–528; (Breton).

Secondary literature

  1. Kuno Meyer, Tochmarc Treblainne, Zeitschrift für celtische Philologie 13 (1921) 166–175.
  2. Rudolf Thurneysen, Die irische Helden- und Königsage bis zum siebzehnten Jahrhundert, Teil I, (Halle/Saale 1921) 285ff [Manuscript transmission and versions].
  3. Neill Ross, Osnadh carad i gCluain Fraoich, ed. with translation, in: Heroic Poetry from the Book of the Dean of Lismore, Edinburgh 1936, 198ff.
  4. Angus Matheson, A propopsed emendation in Táin Bó Fraích, in: Éigse 5 1945/47 (1948) (pt. 3, 1946), 157.
  5. James Carney, Carn Fraoich, soitheach na saorchlann (ed. with diplomatic text from Book of Uí Maine, normalized Early Modern Irish text, introduction and translation), Celtica 2, pt. 1 (1950) 154–194.
  6. James Carney, A sentence in Táin bó Fraích, in: Celtica 1, 1950, 300–301.
  7. Vernam Hull, 'ben taithigi na báu', in: Zeitschrift für celtische Philologie 24 (1954) (H.1/2, 1953) 122–123.
  8. James Carney, Studies in Irish Literature and History, Dublin 1955.
  9. James Carney, The ecclesiastical background to Irish saga, in: ARCTICA. Essays presented to Ake Campbell, ed. by A. Furumark et al., Uppsala 1956, 221–227.
  10. Sgeul mu Fhraoch, recorded by the School of Scottish Studies, Edinburgh, and edited on LP gramophone record (School of Scottish Studies Discs A 001/2, Gaelic and Scots Folk Tales), written down and translated by J. MacInnes, University of Edinburgh 1960.
  11. Kenneth H. Jackson, The sources for the Life of St. Kentigern, in: Studies in the Early British Church, ed. Nora Chadwick, Cambridge 1958, 273–357.
  12. Wolfgang Meid, Die handschriftliche Überlieferung der Táin Bó Froich, Zeitschrift für celtische Philologie 30 (1967) 21–41.
  13. David N. Dumville, The World of the Síd and the Attitude of the Narrator in Táin Bó Fraích, Studia Celtica Japonica 7 (April 1995) 21–25.
  14. Donald E. Meek, Táin Bó Fraích and Other 'Fraech' Texts: A Study in Thematic Relationships. Part I, Cambridge Medieval Celtic Studies 7 (1984) 1–37.
  15. Donald E. Meek, Táin Bó Fraích and Other 'Fraech' Texts: A Study in Thematic Relationships. Part II, Cambridge Medieval Celtic Studies 8 (1984) 65–85.

The edition used in the digital edition

Thurneysen, Rudolf, ed. (1987). Keltische Sagen aus dem alten Irland‍. , UNKNOWN = measure. Wiesbaden: VMA Verlag.

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  • The text is in German. (de)
  • The original title is in Old Irish. (ga)

Keywords: saga; prose; medieval; Fraech & Findabir; translation

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